Hochzeitsfotografen und Hochzeitsvideografen, stellt euch dieses Szenario vor: Die Trauung in der Kirche geht in dreißig Minuten los. Der Pfarrer bereitet seine Manuskripte vor und sortiert die Blätter am Pult, während, irgendwo im Chorempore, die Sängerin vor dem Singen ihre Stimme aufwärmt. Die meisten Gäste sind auch schon da und warten ungeduldig…
Jetzt passiert folgendes: Ihr stürmt rein, euer Stativ an die Schulter stemmend, läuft direkt zum Geistlichen hin und sagt ihm unverblümt, er soll bitteschön sein Pult wegräumen; platziert eure professionelle Standkamera hin, drückt dem Pastor ein weißes Blatt in die Hände, sagt ihm, er soll für ein paar Sekunden stillhalten und stellt die „White Balance“ mit seinem HD-Signalgenerator ein…
Sowas wird in einer Kirche niemals geschehen, doch das ist mir bei einer frei gestalteten Zeremonie widerfahren. Ein Einzelfall, ich will damit die Zunft der Fotografen nicht in Mitleidenschaft ziehen oder ihr Verhalten pauschalisieren.
Hierarchien oder – wer darf wen begleiten?
Der Standesbeamte begleitet das Brautpaar bei der staatlichen Form der Eheschließung
Der Vater begleitet seine Tochter zum Altar
Die Brautjungfern begleiten die Braut beim Einzug
Der Trauredner begleitet das Hochzeitspaar und führt durch die Trauung
Die Band darf musikalisch die Zeremonie begleiten
Die Wedding Planerin begleitet die Hochzeitsgesellschaft durch den Tag
Hochzeitsfotografen und Hochzeitsvideografen begleiten all diese Menschen und sorgen für bleibende Eindrücke
Der Mensch ist nie und an keiner Stelle ein Gleicher unter Gleichen. Es ist ein wenig so, wie bei George Orwells „Farm der Tiere“, in der am Ende alle Tiere gleich – aber manche eben gleicher sind als andere. Und warum? Ganz einfach, weil wir unsere Gesellschaften, unsere Familien, unsere Welt und unser Leben in Hierarchien unterteilt haben. Wer an welcher Stelle welche Funktion ausübt, ist durch geschriebene oder ungeschriebene Gesetze festgelegt und konsensual geregelt.
In diesem Sinne ist es die Aufgabe des Zeremonienleiters durch die Trauung zu führen: sei er Pfarrer, Diakon, Freier Theologe oder weltlicher Trauredner. Als solcher übt er seine Aufgabe mit der „Kraft des Amtes“ (wenn man das Prinzip analog auch der freien Zeremonie zusprechen dürfte) und sorgt dafür, dass der Trauakt Gewicht bekommt ohne dessen die Authentizität und Würde der Feier nie zustande kommen könnte.
Respektvoll miteinander umgehen
Gilt für alle Mitbeteiligten, auch für den Fotografen, dem ich während der Trauzeremonie viel Bewegungsfreiheit gestatte. Die meisten Fotografen, die ich in den letzten 10 Jahren kennenlernen durfte, waren äußerst professionell: respektvoll, diskret, freundlich, pünktlich, fachlich gut vorbereitet. Ein Beleg dafür sind die vielen wunderschönen Aufnahmen, die meine Brautpaare mir zugeschickt haben. Denn eines ist klar: Wir alle sind da, um eben das Paar zu zelebrieren und nicht uns selbst.